Rheocasting

Spezielles Gießverfahren, bei dem Aluminium nicht wie bei konventionellen Gießverfahren im vollständig flüssigen, sondern im halbfesten bzw. halbflüssigem (Semi-Solid Process) Zustand verarbeitet wird (Bild 1,  Salzburger Aluminium Group).

Das dem Rheoprozess zugrunde liegende Prinzip, die Thixotropie von Leichtmetallschmelzen, wurde in den 1970er Jahren am Massachusetts Institute of Technology entdeckt.

Im Gegensatz zum konventionellen Druckgießen, bei denen dendritisch erstarrte α-Aluminium Körner charakteristisch für die Mikrostruktur sind, bilden sich beim Rheocasting durch eine vorgeschaltete kontrollierte Abkühlung der Schmelze und einer Rührbewegung (Bild 2) runde Körner sog. Globuliten (Bild 3). Diese begünstigen die Fließfähigkeit bei der Formfüllung sowie die Nachspeisung während der Erstarrung. Da die zu verarbeitende Aluminiumschmelze schon vor der Formfüllung zu einem guten Teil erstarrt ist, können Erstarrungslunker und Verzug minimiert werden. Die hohe Viskosität der Schmelze verhindert zudem Turbulenzen und damit Gaseinschlüsse, die als Poren bei konventionellen Gießverfahren den größten und schädlichsten Anteil an Gussfehlern ausmachen.

Durch die guten Formfüll- sowie Erstarrungseigenschaften können sowohl dünnwandige als auch dickwandige Strukturen in einem Bauteil realisiert werden, d. h. das Material muss nur dort verwendet werden wo es für die Funktionalität des Bauteils wichtig ist. Zusammen mit den guten mechanischen Eigenschaften kann so ein erhebliches Leichtbaupotential realisiert werden (Bild 4, Salzburger Aluminium Group).

Die Verarbeitung der teilflüssigen Schmelze erfolgt in einer Kaltkammerdruckgussmaschine, die ein hohes Ausbringen und damit wirtschaftliche Effizienz ermöglicht. Verarbeitet werden vorwiegend konventionelle untereutektische Aluminiumlegierungen der AlSiMg Gruppe.

Durch den geringen Porenvolumenanteil kann Blasenbildung bei einem nachgeschalteten Lösungsglühprozess verhindert werden. Dadurch sind die Teile im Gegensatz zu konventionellem Druckguss T6 wärmebehandelbar.

Die technologischen Vorteile, die aus der mittels Rheocasting verbesserten Gussqualität abgeleitet werden können sind in erster Linie die deutlich besseren  mechanischen Eigenschaften (Festigkeit und Bruchdehnung). Die erzielbaren mechanischen Kennwerte reichen damit an Eisenguss oder Aluminiumschmiedeteile heran. Im Vergleich zu Eisenguss ergibt sich ein erhebliches Leichtbaupotential, das annähernd dem Dichtevorteil von Aluminium, also mehr als 60 % Gewichtsersparnis, entspricht.

Im Vergleich zu Aluminiumschmiedeteilen kann Rheocasting als kostengünstige Alternative für sicherheitsrelevante Fahrwerksteile eingesetzt werden (Bild 5. Salzburger Aluminium Group).

Durch den geringen Verzug und die gute Oberflächenqualität beim Rheocasting können enge Toleranzen auch ohne nachgeschaltete mechanische Bearbeitung eingehalten werden.

Neben den vorteilhaften mechanischen Eigenschaften und der guten Maßhaltigkeit wirkt sich die verbesserte Gussqualität beim Rheocasting und dabei vor allem der geringe Porenanteil positiv auf die Dichtheit und Schweißbarkeit von Gussbauteilen aus.

Somit können dünnwandige Helium-druckdicht schweißbare Gussbauteile für Druckbehälter von Luftfederfahrwerken gefertigt werden (Bild 6, Salzburger Aluminium Group). Dieselbe Anwendung ist auch für Batteriewannen, Klimakompressoren und Wärmetauscher denkbar. Thermisch beanspruchte Bauteile profitieren außerdem von der beim Rheocasting im Vergleich zum Druckguss, höheren Wärmeleitfähigkeit.

Neben dem Leichtbaupotential durch Rheocasting, das sich positiv auf die CO2-Bilanz der betreffenden Bauteile im Gebrauch auswirkt, ist ein weiterer Aspekt die gute Recyclingfähigkeit des Prozesses, die die Nachhaltigkeit unterstreicht. Der Einsatz von Sekundäraluminium, welches beim Rheocasting-Prozess wieder eingeschmolzen werden kann, benötigt nur etwa 5 % der Energiemenge, die für die Erzeugung von primär hergestelltem Aluminium notwendig ist. Durch  entsprechende Schmelzebehandlung kann dieses Einsatzmaterial ohne Einbußen hinsichtlich Gussqualität zu hochbeanspruchten Bauteilen weiterverarbeitet werden.

Ein Anwendungsbeispiel aus der Nutzfahrzeugindustrie zeigt Bild 7, Salzburger Aluminium Group. Ein Kabinenhalter, der nach dem Rheocasting-Prozess hergestellt wurde und ein bestehendes Eisengussbauteil ersetzt erzielt eine Gewichtseinsparung für jeweils zwei verbaute Teile pro LKW von 12 kg.

Anwendungen finden sich im aktuell noch immer von Eisenguss dominiertem LKW-Fahrwerk. Beim klassischen zweiachsigen Sattelschlepper wurde ein Leichtbaupotential von 120 kg erhoben. Das entspricht im Fahrbetrieb einem Einsparungspotential von 120 l Treibstoff oder 0,3 t CO2 pro Jahr und LKW. Außerdem wird für gewichtssensitive Transporte die Nutzlast erhöht. Damit kann mehr Fracht mit weniger Fahrten transportiert werden, was sowohl den CO2 Ausstoß als auch das Verkehrsaufkommen reduziert. Bild 8 (Salzburger Aluminium Group) zeigt weitere Ausführungsbeispiele von Rheocasting Komponenten.

Die Videos (Salzburger Aluminium Group) geben einen umfassenden Überblick über den Rheocasting-Prozess.

 

  • Bild 1: Konventionelles Gießverfahren (links) im Vergleich zum Material beim Semi-Solid Prozess (rechts), Salzburger Aluminium Group
  • Bild 2: „Rühren“ der Schmelze (comptech.se)
  • Bild 3: Typische Mikrostruktur vom Druckguss- und Rheocasting – Prozess (M. Wessen, Jönköping University)
  • Bild 4: Leichtbaupotential in Verbindung mit besten mechanischen Eigenschaften beim Rheocasting Prozess (Salzburger Aluminium Group)
  • Bild 5: Preis-Leistungsverhältnis von Rheocasting (Salzburger Aluminium Group)
  • Bild 6: Endkappen für Druckbehälter von Luftfederfahrwerken (Salzburger Aluminium Group)
  • Bild 7: Nutzfahrzeug-Kabinenhalter (Salzburger Aluminium Group)
  • Bild 8: Weitere Anwendungsbeispiele ( Salzburger Aluminium Group)
Film 1
Film 2