Penetration

Dieser Fehler kann bei allen im Sandformverfahren (vorzugsweise im Grünsandverfahren) hergestellten Gussteilen auftreten, unabhängig vom Werkstoff.

Er wird besonders an Stellen starker Aufheizung der Formteile wie an Kanten oder in Anschnittnähe, an Stellen schwacher Verdichtung des Formstoffes sowie bei dickwandigen Gussstücken beobachtet. Er befällt häufig ganze Gussstückpartien. Liegt der Fehler örtlich begrenzt und häufig im zuletzt gefüllten Teil des Formhohlraumes vor, so handelt es sich in der Regel um Explosionspenetration. Der Fehler ist am Gussstück mit freiem Auge erkennbar.

Penetrationserscheinungen sind Sandanhaftungen am Gussteil und führen zu rauhen Gussoberflächen (s. Rauhe Oberfläche), zu erhöhtem Putzaufwand bzw. zu Ausschuss (Bilder 1 bis 3). Die Rauhtiefen sind größer als der mittlere Kornradius des verwendeten Formgrundstoffes (im Gegensatz zur Rauheit, bei der die Rauhtiefen kleiner als der mittlere Kornradius des Formgrundstoffes sind).

Bei der Explosionspenetration treten außerdem verstärkte Gratbildung und oberflächennahe Gasblasen (Wasserdampf) auf. Von Penetration spricht man dann, wenn der Formstoff mit dem eingedrungenen Metall nicht chemisch reagiert. Sie wird auch als echte Penetration bezeichnet. Im Falle einer chemischen Reaktion des eingedrungenen Metalls mit dem Formstoff spricht man von Anbrand (angebrannter Sand), Ansinterung oder meistens von Vererzung.

Prinzipielle Ursachen für die echte (mechanische/physikalische) Penetration sind der metallostatische Druck, der dynamische Druck beim Gießen, der Kristallisationsdruck beim Erstarren und bei der Explosionspenetration ein zusätzlicher Gasdruck. Sandformen weisen entsprechend ihrer vorliegenden Packungsdichte ein bestimmtes Porensystem auf. An der Grenzfläche zwischen Metall und Formstoff besteht ein Gleichgewicht zwischen dem metallostatischen Druck, den Kapillarkräften des Formstoffes, der Benetzbarkeit und der Oberflächenspannung des Metalls. Beim Gießen trifft die Schmelze auf die Körner der Formoberfläche und kann so lange unter der Wirkung des metallostatischen Druckes in die Poren der Formoberfläche eindringen, bis sich zwischen der Grenzflächenspannung an der Formoberfläche und dem Penetrationsdruck (kritische Druckgröße, bei der die Schmelze durch die oberste Kornschicht hindurchdringt) ein Gleichgewicht eingestellt hat. Die Folge ist eine Rauheit der Gussstückoberfläche.

Die dem Penetrationsdruck entgegenwirkende Grenzflächenspannung wird durch die Kapillarkräfte des Formstoffes (in erster Linie von der Porosität), von der Benetzbarkeit der Formoberfläche und der Oberflächenspannung beeinflusst. Die Grenzflächenspannung von Gusswerkstoffen auf der Basis Fe-C erreicht relativ hohe Werte. Die Höhe dieser Spannung wird vor allem von der chemischen Zusammensetzung der Hauptlegierungselemente und von dem Vorhandensein grenzflächenaktiver Elemente wie Wismut, Blei, Phosphor, Silizium u.a. beeinflusst. Eine starke Erhöhung der Grenzflächenspannung wird auch durch Zusätze von Cer, Natrium und Zirkonium erreicht.

Die Schmelze bildet die von ihr benetzte Sandstruktur der Formoberfläche mit unterschiedlicher Intensität (Rauheit, Benetzungstiefe) ab. Die Benetzungstiefe erreicht umso höhere Werte, je größer der Penetrationsdruck, der Kornradius des Formstoffes, sein Porenradius, die Dichte der Körner und je kleiner die Grenzflächenspannungen sind. Der Benetzungswinkel und damit die Benetzbarkeit einer Formoberfläche kann durch die Ausbildung einer Glanzkohlenstoffschicht wesentlich beeinflusst werden.

Für ein verfestigtes Formteil ist die Größe des Porenradius in erster Linie vom Kornaufbau (Korngröße, Kornverteilung), von den Zusätzen (Binderanteil, Schlämmstoffe), von der Verdichtungsintensität (Packungsdichte) und vom Sinterverhalten des Formstoffes abhängig.

Man spricht dann von Penetration, wenn die Rauhtiefe größer bzw. gleich dem Kornradius der Formstoffkörner ist. Das bedeutet, dass eine Abgrenzung zwischen Rauheit und Penetration nur unter Berücksichtigung der Korngröße des Formstofffes möglich ist.

Somit kann Penetration in Abhängigkeit folgender Einflussfaktoren auftreten:

  • zu große Korngröße und breite Kornverteilung des Formstoffes
  • zu geringe Binder- und Schlämmstoffanteile
  • Anteil an glanzkohlenstoffbildenden Stoffen ist zu niedrig
  • zu hohe Verdichtbarkeit des Formstoffsystems (Packungsdichte)
  • zu geringe Gasdurchlässigkeit
  • ungünstige chemische Zusammensetzung des Gusswerkstoffes in Verbindung mit zu hohen Gießtemperaturen und zu hohem metallostatischem Druck
  • ungenügende und ungleichmäßige Verdichtung der Formen bzw. Kerne
  • ungenügendes Anschnittsystem und dadurch zu starke Überhitzung von Formen und Kernpartien

Eine besondere Form der echten Penetration ist die Explosionspenetration. Zusätzlich zu den statischen und dynamischen Belastungen beim Gießen kommt es zu einer explosiven Verdampfung von Wasser beim Auftreffen des flüssigen Metalls auf die nasse Formwand. Damit verbunden ist ein Gasstoß, der zum Eindringen von Metall in die Porenräume führt. Da dieses eingedrungene Metall sehr schnell erstarrt, wird den Dampfblasen der Weg in den Porenraum versperrt, so dass gleichzeitig oberflächennahe Gasblasen (Wasserdampf) im Gussstück zurückbleiben.

Bei groben Umlaufsanden und überverdichteten Formen tritt der Fehler häufiger auf. Auch die mittlerweile hohen Gießleistungen moderner Formanlagen, wodurch es mit einer Erhöhung der Wärmeübergangsbedingungen zu einer spontanen (explosiven) Verdampfung des Wassers kommt, können zur Fehlerentstehung beitragen.

Maßnahmen zur Vermeidung (nach S. Hasse, FT&E):

1. Verwendung feinerer Sande oder durch Zulauf feinkörniger (Kern-)Sande die Sandkörnung des Umlaufsandes verfeinern. Bei Kernsanden Additive zusetzen

2. Erhöhung der glanzkohlenstoffbildenden Zusätze. Unter Einwirkung der Gießhitze erweicht die Kohle und bildet einen Schutzfilm, die Benetzbarkeit wird vermindert

3. Binder- und Schlämmstoffanteil erhöhen, Verdichtbarkeit des Formstoffsystems erniedrigen, dadurch erhöht sich die Fließbarkeit des Sandes, und eine bessere Verdichtung wird ermöglicht

4. Zumindest gefährdete Form- und Kernpartien schlichten, der Porenraum unmittelbar an der Form-/Kernoberfläche wird somit wesentlich verringert

5. Weitgehende Vermeidung von grenzflächenaktiven Elementen in der chemischen Zusammensetzung des Werkstoffes, wie beispielsweise Phosphor und Blei

6. Senkung des metallostatischen Druckes und Verbesserung des Anschnittsystems dahingehend, dass Gießstöße und starke Überhitzung von Form- und Kernpartien vermieden werden

7. Senkung der GießtemperaturSpeziell zur Vermeidung von Explosionspenetration gilt:

8. Verminderung der Wärmeentzugsgeschwindigkeit im Zusammenhang mit der Vermeidung hoher Aufheizgeschwindigkeiten durch eine langsamere und gleichmäßigere Formfüllung

9. Erniedrigung der Wärmeleitfähigkeit des Formstoffes z. B. durch Reduzierung des Wassergehaltes oder durch Oberflächentrocknung. Da das Entstehen von kondensiertem Wasser aber vor allem von der Menge an freiem Wasser abhängig ist, muss der Formstoff optimal aufbereitet werden (s. Sandaufbereitung)

10. Verringerung der Formendichte zur Sicherung einer ausreichenden Gasdurchlässigkeit

11. Verbesserung der Abführung von (wasserdampfhaltigen) Gießgasen (verbesserte Entlüftung)

 

  • Bild 1: Massive Penetration an einem Aluminium-Gussteil, nach ausgiebigem Strahlen konnten die Sandanhaftungen beseitigt werden (linke Seite)
  • Bild 2: Detailaufnahme des in Bild 1 gekennzeichneten Bereiches, deutlich sind die einzelnen penetrierten Sandkörner und die nach intensivem Strahlen saubere Oberfläche der Al-Gusslegierung sichtbar, 12:1
  • Bild 3: REM-Aufnahmen der penetrierten Bereiche (gekennzeichnet in Bild 1), es sind keinerlei Ansinterungen festzustellen